Christus heilt einen Fallsüchtigen (Ausschnitt)

Miniatur aus dem Stundenbuch des Duc de Berry

Musée Condé, Chantilly (Photographie Giraudon, Paris)

Die ersten Stundenbücher entstanden im 12. Jahrhundert in Anlehnung an die Psalter. Sie enthielten Gebete für die verschiedenen Tageszeiten und waren für Laien bestimmt, ohne dass die Kirche darauf Einfluss nahm. Die Blütezeit dieser mit reicher Miniaturmalerei ausgestatteten Bücher war im 15. Jahrhundert, und der Bildschmuck ging weit über seine ursprüngliche Aufgabe als Illustration zu den Gebeten hinaus; denn auf Wunsch der Auftraggeber wurden Kalendarien, Szenen aus Arbeit und höfischem Leben eingefügt. In Frankreich entstanden Werkstätten, die diese Bücher serienmäßig herstellten. Neben den klösterlichen Schreibstuben und den weltlichen Ateliers übernahm der Adel eine Art Mäzenatentum. Christus heilt einen Fallsüchtigen.
Miniatur aus dem Stundenbuch des Duc de BerryFürsten und Herzöge holten Künstler aus allen Ländern an ihren Hof und beauftragten sie, Stundenbücher nach ihren Wünschen zu fertigen. Einer dieser großen Mäzene war Herzog Jean de Berry aus Burgund, ein leidenschaftlicher Kunstsammler. Allein er gab über fünfzig Werke in Auftrag: Bibeln, Mess- und Stundenbücher, Psalter und Breviere. Er holte die Brüder Paul, Hans und Hermann von Limburg ("Brüder von Limburg") an seinen Hof, und um 1500 entstand eines der schönsten Stundenbücher, die "Très riches Heures du Duc de Berry"!

Eines der Blätter zeigt die Fallsuchtheilung durch Christus (Heilung des mondsüchtigen Knaben in den Evangelien: Mt 17,14; Mk 9,14; Lk 9,37): "Dann drohte Jesus dem Dämon. Der Dämon verließ den Jungen, und der Junge war von diesem Augenblick an geheilt." (Mt 17,18)

Der Gegensatz zwischen dem mit einem grauen, zerrissenen Umhang bekleideten Kranken und der prachtvollen rot-blau-goldenen Umgebung ist verblüffend und zeigt die realistische Gegebenheit der Zeit, nach der der Kranke oder Behinderte in die "soziale Armseligkeit" abglitt, abgesondert von der übrigen "heilen, glücklichen, sorglosen Gesellschaft". Die Diskrepanz zwischen Krankheit und dadurch bedingter Not einerseits und dem "normalen" bürgerlichen Leben andererseits ist in diesem krassen farblichen Unterschied eindrücklich dokumentiert.


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