Was ist es denn?

Illustration zu „Lucilla“ (Privatbesitz)

Es gibt in der Belletristik zahlreiche Autoren, die sich der Krankheit Epilepsie annahmen - so z.B. F.M. Dostojewskij (der selbst anfallkrank war), Thomas Mann, Siegfried Lenz, Christa Wolf, Elsa Morante, Christoph Ransmayr, Arnold Stadler [siehe hierzu auch die Literaturliste des Epilepsiemuseums].

In "Poor Miss Finch" (deutscher Titel: "Lucilla") von Wilkie Collins (1824-1899) spielt die Epilepsie einer der Hauptpersonen, nämlich des jungen Mannes Oskar, eine bedeutsame Rolle. Die Epilepsie Oskars, des Verlobten der blinden Lucilla, ist als Folge eines Unfalls mit Kopfverletzung aufgetreten.

Der erste Anfall Oskars, den die Ich-Erzählerin des Romans miterlebt, wird folgendermaßen geschildert:

In diesem Moment ging eine fürchterliche Veränderung mit Oskar vor. Seine Züge verzerrten sich zu einer Teufelsfratze, seine Augäpfel kehrten sich nach oben, so dass man nur noch das Weiße sah, und sein ganzer Körper verdrehte sich von oben nach unten, als hätte ihn eine Riesenhand gepackt und wollte ihn wie einen nassen Lappen auswringen. Eine Sekunde später wälzte er sich am Boden mit wilden Zuckungen, die nicht aufhörten.
"Um Gottes Willen, was ist das?" schrie ich auf, doch der Arzt antwortete nicht, er hatte alle Hände voll zu tun, um Oskars Krawatte zu lösen, die Möbel beiseite zu rücken, die der wild um sich Schlagende anstieß. Dann richtete der Arzt sich auf und sah bedrückt auf die sich windende Gestalt, der er nicht helfen konnte.
"Können Sie denn nichts weiter tun?" schrie ich außer mir, er schüttelte den Kopf. "Was ist es denn?" - "Ein epileptischer Anfall!"

Illustration zu „Lucilla“

Den medizinischen Möglichkeiten der Zeit entsprechend wird die Epilepsie Oskars mit Silbernitrat behandelt - einem Medikament, das als unangenehme Nebenwirkung zu einer dunklen Blauverfärbung der Haut führt. Dies ist selbstverständlich für die Verlobte Oskars, die blinde Lucilla, kein ästhetisches Problem - es droht aber ein solches zu werden, als ein deutscher Augenarzt sich anbietet, Lucilla durch eine Operation das Augenlicht wiederzugeben...

Zu englischen Schauer- und Gesellschaftsromanen des letzten Jahrhunderts existieren als Privatdruck einige Illustrationen zu den aufregend und amüsant zu lesenden Geschichten.

Das hier präsentierte Bild zeigt das verlobte Paar - die blinde Lucilla und den blauverfärbten Bräutigam. Im Hintergrund ist einer der großen Anfälle Oskars in mehreren Phasen dargestellt: Der Künstler hat dabei die Körperachse des Anfallkranken orangefarben skizziert; diese Signalfarbe bringt die Dramatik des Sturzes im Anfall durch die in mehreren Stadien wiedergegebene Position des Körpers (von der Vertikalen bis zur Horizontalen) sehr eindrücklich zur Geltung.



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