Der Heilige Valentin

Bartholomäus Zeitbloom (1455-1515), Altarbild (Bayerische Gemälde-Sammlungen München)

In Jacobus de Voragines "Legenda aurea" wird von Valentin von Terni (3. Jh.) erzählt, dass er seinen Glauben als Märtyrer verteidigte und selbst "niemals gefallen" sei. Den Gleichklang von "fallen" zu dem Namen Valentin beschrieb bereits Martin Luther 1516:

"...zum dritten haben sie St. Valentin der fallenden Sucht zum Patron gesetzt, nun liest man ja nichts in seiner Legende, daß er mit dieser Krankheit zu thun gehabt; drum wollte ich schier wetten, St. Valentin komme zu der Ehre bloß des Namens halben, da sein Name und das deutsche Wort fallen gleich lauten..."

Diese etymologische Begründung für das Patronat des Heiligen Valentin über die Fallsucht hat viel Wahrscheinlichkeit für sich - auch andere Patronate lassen sich teilweise so erklären Bartholomäus Zeitbloom: Der heilige Valentin(das des Heiligen Augustinus über Augenkrankheiten oder des Heiligen Blasius, der nicht nur für Halskrankheiten, sondern auch für Blasenleiden zuständig ist). Allerdings findet sich - entgegen der Ansicht Luthers - in der Legende des Heiligen Valentin doch ein Hinweis auf die Heilung eines epileptischen kranken Menschen: Der Bischof soll Chäremon (an anderer Stelle: Therämon), den Sohn des römischen Rhetors Kraton, von einer Epilepsie befreit haben.

Das Bild zeigt den Heiligen Valentin als Bischof von Terni in prächtigem Ornat, mit Mitra und Bischofsstab; seine rechte Hand ist in segnender Gebärde angehoben, die linke hält die in ein rotes Tuch gehüllte Bibel. Ein Mann liegt im epileptischen Anfall zu Füßen des Bischofs.

Es ist die "tonische" ("verkrampfte") Phase eines großen Anfalls (grand mal) dargestellt: Der Anfallkranke in fast übertrieben anmutender Überstreckung des Körpers ("arc de cercle"), der Mund und die Augen sind - wie dies für diese Anfallsphase durchaus typisch ist - weit geöffnet, die Lippen bläulich verfärbt, die Arme weit ausgestreckt.

Die Frau im Hintergrund (Ehefrau des Kranken?) imitiert in ihrem Entsetzen über das Geschehen geradezu die Symptomatik des im Anfall gestürzten Mannes: Auch sie mit gespanntem, leicht überstrecktem Körper, ausgebreiteten Armen, leicht geöffnetem Mund und etwas starr blickenden Augen (die nicht auf den Kranken, sondern in eine unbestimmte Ferne gerichtet sind).

[Dass ein epileptischer Anfall bei erschreckten Beobachtern eine anfallsähnliche Symptomatik provozieren kann, hat Thomas Mann in seinem Roman "Der Zauberberg eindringlich beschrieben: Als der Lehrer Popow im Speisesaal des Tuberkulosesanatoriums einen großen epileptischen Anfall erleidet, stellen sich bei einigen der entsetzten Beobachter ganz ähnliche Symptome ein:

"Die Damen ... wurden von den verschiedensten Zuständen betreten, so dass einige es Herrn Popow fast gleichtaten. Ihre Schreie gellten. Man sah nichts als zugekrampfte Augen, offene Münder und verdrehte Oberkörper. Eine einzelne gab stiller Ohnmacht den Vorzug. Erstickungsanfälle, da jedermann von dem wilden Ereignis im Kauen und Schlucken überrascht worden war, spielten sich ab. Ein Teil der Tischgesellschaft suchte durch die verfügbaren Ausgänge das Weite."]



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